Man lernt nie aus. Es gibt eigentlich keinen schöneren Moment für mich, wenn ich ein liebgewonnenes Vorurteil über Bord werfen muss. Ich habe bei so manchem Humidor-Besuch schon aus dem Augenwinkel die seltsam anmutenden Kisten entdeckt. Diese Kisten, die ein Mittelding aus Waffen- und Weinkiste sind.
Irgendwann hab ich den Händler meines Vertrauens danach gefragt. Das Ergebnis war ein entsetztes Gesicht. Dass ich als Freund guter Zigarren diese Marke nicht kenne sei eine Bildungslücke, die es unbedingt zu schließen gilt. In den nächsten Minuten bekam ich einen Crashkurs in Sachen Gurkha-Zigarren. Und da war es, diese Tatsache die mir die Zigarre unsympathisch machte. Die Zigarre ist nach der gleichnamigen britisch-indischen Militäreinheit nepalesischer Soldaten benannt – Gurkha.
Auch wenn berühmte Revolutionsführer wie Ernesto „Che“ Guevara und Fidel Castro Zigarren geraucht haben, so waren diese nicht tatsächlich nach Militär benannt. Ich habe von je her ein Problem mit Militarismus und kann nicht nachvollziehen, was so besonders toll an Menschen ist, die zum Kampf gegen andere Menschen gedrillt werden.
Die „Spezialeinheit“ unter den Zigarren
Die Aufmachung der Zigarrenkisten war – das muss man ihnen lassen – anders und sie unterscheiden sich von den üblichen Designs auch heute noch. Als ich begann mich über Gurkha-Zigarren zu informieren, wich meine Abneigung aber schnell der Neugier.
Den Grundtstein der weltweiten Zigarrenmarke legte deren heutiger Präsident Kaizad „Kaizer“ Hansotia, der auf einer Urlaubsreise in Goa, auf die Marke hausgemachter Zigarren stieß. Hansotia, der damals Uhren herstellte, fand es witzig die Firma und Marke Gurkha, für umgerechnet etwa 140 Euro, zu kaufen, um die Zigarren als Geschenk an Kunden zu überreichen.
Was so unschuldig und mit Augenzwinkern begann, ist heute ein bekanntes Unternehmen, in dem Premiumzigarren der obersten Güte hergestellt werden. Es gibt „Sonder-Sonder-Sonder-Modelle“, die zu den teuersten Zigarren der Welt gehören, wie etwa die Majesty’s Reserve, hergestellt aus 18 Jahre altem Tabak und Lousi XIII Cognac. Sie kostet in etwa € 1.200,- pro Stück.
Der Selbstversuch – Gurkha Cellar Reserve 15 Years, Koi
Die Koi ist klein, als Perfecto gerollt. Sie wirkt unscheinbar mit ihrer übergroßen Banderole, die aber weder protzig noch übertrieben wirkt. Der Tabak ist fast alt genug um schon Alkohol trinken zu dürfen. Das sieht man sofort. Die Zigarre hat eine schöne Patina (für Nichtraucher: mit Patina meint man den öligen, satten Seidenglanz den eine Zigarre hat, wenn der Tabak lange gelagert oder ge-aged wurde). Beim Öffnen verspürt man deutlichen Widerstand, doch mit einem schmatzig-öligen Schnitt landet das Kopfende samt „Zopf“ im Aschenbecher. Die ersten trockenen Züge lassen das Potenzial bereits erkennen. Zeit für die Feuertaufe.
Die Zigarre aus dominikanischem Tabak lässt sich gut entflammen, wenn man schon Routine im Anzünden von Perfectos hat. Durch das zunächst noch enge Brandende strömt der erste Rauch, der an Fahrt aufnimmt und die ersten ledrigen Zedernnoten in Richtung des Gaumen schickt. Der Rauch kühlt wieder ab. Ich nehme einen Schluck von meinem Espresso, der gerade herrlich dazu passt und nehme den nächsten Zug.
Jetzt kommt eine leichte Schärfe, die aber nicht störend ist dazu. Erd-Aromen steigen mit dem Rauch auf, der allmählich immer dicker wird.
Das Brandende ist jetzt an dem Punkt angelangt, wo sich die Zigarre gänzlich öffnet, der Rauch wird jetzt wahnsinnig dick und Nebelschwaden steigen auf. Kein Wunder, dass manche Aficionados die Gurkha Koi, genau wie die Gurkha Ghost als „Nebelgranate“ bezeichnen. Jetzt legt die Dame kräftig los und in den Rauch schleichen sich jetzt Kräuteraromen, die herrlich auf der Zunge kitzeln und mich an Kräuterwiesen im Gebirge erinnern. Den Duft von Heu. Dann ist da wieder das Leder und der Tabak. Eine leichte Süße schwingt harmonisch zur Schärfe hinzu und das alles in einem dicken, vollmundigen Rauch.
Ich bemerke erst jetzt, dass ich meine Augen geschlossen hatte und leise, aber dennoch deutlich, ein zufriedenes „Mhmm“ durch den Rauch gesummt habe. Ich öffne die Augen und blicke erstaunt auf das Brandende, das nicht so weit runter gebrannt war, als ich bereits dachte. Ich nehme noch eine Zug, lege die Zigarre danach wieder kurz bei Seite. Ich trinke Kaffee. Die Sonne brennt auf die Markise, doch der Wind segelt leicht und zart durch die Gassen.
Ich nehmen den nächsten Zug. Und Zug um Zug schmecke ich mehr. Dinge, die ich nicht einordnen kann, doch ich erkenne Erdbeeren, getrocknete Früchte, Honig vielleicht? Meine Geschmacksnerven werden auf eine Reise geschickt. Ich sitze in meinem Stamm-Café und grinse. Der Tag ist perfekt und die Zigarre ist es auch.
Am Ende, nach etwa 5o Minuten und zwei Espressi, so wie drei Gläsern Wasser bin ich am Ende der Zigarre angelangt. Es bleibt nichts zurück, als das Kopfende und weiße Asche, die – dem Wind ist es zu verdanken – im wunderschönen Aschenbecher fast zu Staub zerfällt. Die Gurkha Cellar Reserve hat sich in meinem Humidor einen Ehrenplatz verdient und das ist gut so.