Es ist halb eins in der Nacht. Die Menschen um mich schlafen längst, der Straßenlärm lässt nach. Ich hatte einen äußerst anstrengenden Tag, mit mühsamen Konversationen, über kleinste Details. Den ganzen Tag hat mich der Gedanke an eine Zigarre am Leben gehalten. Ich kommen endlich zur Ruhe. Es ist Nacht. Und in der Nacht schweigt die Welt, zumindest meine Welt.
Ich nehme Platz in meinem Sessel, öffne den Humidor und mein Blick fällt auf eine Zigarre, eine Zigarre, die ich mir für einen besonderen Moment aufgehoben habe. Ein Leckerbissen aller erster Güte, eine kubanische Schönheit. Boxing Date: April 2001. Sie wurde immer gut gelagert und war ein Geschenk von einem guten Freund.
Gibt es einen richtigen Moment?
Es ist eigentlich ein Abend wie jeder andere. Ein bisschen anstrengender vielleicht, doch im Prinzip ist an dem Tag nichts Außergewöhnliches passiert. Doch aus welchem Grund auch immer, ich entschließe mich diese Zigarre zu rauchen. Ich greife nicht nach der Kamera um diesen Genuss zu dokumentieren, mache mir keine Notizen, obwohl ich das seit Erhalt der Zigarre immer vor hatte. Dieser Moment gehört nur mir und dem Genuss.
Ich genieße alleine das Ritual des Anzündens und zögere es länger als normalerweise hinaus. Ich bin froh, dass um mich herum die Menschen schlafen. Ich bin niemand mehr Rechenschaft schuldig, muss keine dummen Fragen beantworten und kann einfach nur rauchen.
Die ersten Züge. Ich überlege, ob ich Musik aufdrehen soll, doch das könnte jemanden wecken. Ich öffne die Fenster. Die Nacht ist lau. Der Rauchgenuss wird begleitet von einem Glas 28 Jahre altem Rum. Ich blase die vereinsamte Kerze aus, die auf dem Tisch noch spärlich Licht spendete, damit ich nun in vollkommener Dunkelheit sitze, die nur hin und wieder von dem unheimlich, roten Lichtschimmer, der aufglimmenden Zigarre durchbrochen wird. Der Rauch ist mild und süß und extrem aromatisch. Genau das, was man sich von einer reifen Kubanerin erwartet. Der Tabak ist potenzierte Zeit. Die Zeit die man der Zigarre gegeben hat um letzten Endes zur Ruhe zu kommen. Die Ruhe holt man sich dann beim Genuss zurück. Das ist es , woran ich in diesem Moment denke. An die Zeit, die es braucht um eine Zigarre von Hand zu fertigen, nachdem der Tabak Zeit brauchte um zu wachsen und zu gedeihen, Zeit, die die Arbeiter brauchten um die Blätter zu ernten, Tage, Wochen und Monate die der Tabak benötigt, um in den Zustand des erwünschenswerten Bildes zu gelangen, damit ein Blatt am Brett verarbeitet wird. Das fertige Produkt – die Zigarre ist durch so viele Hände gegangen, wer würde da nicht erst Ruhe brauchen, um wieder zu sich selbst zu finden.
Diese Zigarre hat 15 Jahre gebraucht, um diese Aromavielfalt und diesen herrlichen Rauch hervor zu bringen. Im Lichtschein des Mondes, der sich nun nicht mehr hinter den Wolkenfetzen versteckt und mir direkt sein nacktes Gesicht entgegenstreckt, sehe ich Rauchfahnen, die langsam in den Himmel empor steigen und dabei einen herrlichen Duft verströmen. Immer wenn ich eine Zigarre rauche deren Rauch nur Geruch verströmt, weiß ich, dass ich eine richtige Entscheidung getroffen habe. Ich hätte diese Zigarre zu keiner anderen Zeit rauchen dürfen, als in diesem Moment. Hier und jetzt.
Man braucht keinen besonderen Moment, die Zigarre macht den Moment besonders
Ich werde diesen Abend nicht so schnell vergessen. Es war ein besonderer Abend, eine besondere Nacht. Die Nacht wurde besonders, weil die Zigarre besonders war. Wir Genießer neigen dazu unsere besonderen Genüsse manchmal verkommen zu lassen, weil wir auf den richtigen Moment warten, für den Genuss. Dabei vergessen wir oft, dass wir mit einer Zigarre den Moment zu etwas ganz Besonderem machen können.
Es ist egal, ob wir die Zigarre als Abschluss nach einem Sieben-Gänge-Menü in einem Haubenlokal genießen, oder in unserem eigenen Garten, oder unter dem Vordach eines Hauses, während die Welt beinah im Regen, der vom Himmel fällt, zu ertrinken vermag. Wir entscheiden welchen Moment wir adeln, denn der Moment wird besonders, durch die besondere Zigarre.
Natürlich, werde auch ich mir immer noch Zigarren zurückhalten für „dein einen“ Moment. Doch ich bin dafür offen, einige dieser Stücke auch in Momenten dem Feuer zu übergeben, um eben diesen Moment zu genießen, auch wenn er womöglich gewöhnlich ist, wie jeder andere.
Während ich diese Zeilen schreibe, hat es zu Regnen begonnen und das erste Mal seit langem überkommt mich der Wunsch wieder eine Pfeife zu rauchen, doch ich werde noch warten, bis sich die Blätter verfärben, denn dann ist für mich Pfeifenzeit. Bis dahin schmauche ich die gerollten Köstlichkeiten, die schon lange auf dieser Welt sind und die wir uns hoffentlich auch in der Zukunft nicht verbieten lassen. Es wäre eine Schande Zeit nicht mehr so schön und so gegenwärtig genießen zu können.
In diesem Sinne: „Happy smoking!“
Ein exklusives Hobby: Zigarre rauchen - Jeder braucht ein Hobby
[…] angesehen, tolle Blogs gelesen (mein Lieblingsblog: Der Blaue Dunst, besonders angetan hatte es mir dieser Artikel, der finde ich perfekt wiedergibt, was ich mit Zigarre rauchen verbinde) mich zwischendurch beim […]