Ich liebe den Herbst. Ich liebe es, wenn sich die Blätter verfärben und die Wälder mit ihrer Farbenpracht regelrecht angeben. Ich freue mich auf die Neuerscheinungen am Buchmarkt, genauso wie auf die selbigen in der Welt der Zigarre. Ich freue mich auf die kleineren Formate für die kälteren Tage am Balkon, wenn die kalten Hände sich an einer Tasse Tee wärmen und der Rauch der Zigarre durch die Kälte an Würze gewinnt.
Zugegeben, die Zeit in den diversen Gastgärten der kleinen Cafés hat schon was für sich. In meinem Stamm-Kaffeehaus rücken die Menschen allmählich wieder zusammen und die Tische vor der Türe, inklusive deren Aschenbecher, sind wieder verschwunden. Im Gegensatz zu den letzten Jahren – der Klimawandel macht es möglich – sind wir heuer ohnedies mit einer sehr langen Gartensaison verwöhnt worden.
Eine letzte Zigarre vor der Türe
Vor einigen Tagen lachte die Sonne beinahe so stark wie in den Sommertagen zuvor. Ich beschloss noch einmal eine Zigarre zu einer Tasse Kaffee, mit der Nasenspitze in der Sonne, zu genießen. Ich öffnete einen meiner Humidore und war – wie eigentlich immer in diesem Moment – leicht überfordert. Die Qual der Wahl. Ein wirklich guter Freund von mir hat mich mit diesem übernatürlichen Phänomen schon vor langer Zeit vertraut gemacht. Humidore werden mit der Zeit immer kleiner. Denn egal wie viele Zigarren man einlagert, der Moment in dem man das Gefühl hat, nicht das Richtige für den Moment zu haben, wird niemals vergehen. Das ist der Fluch des Sammlers.
Mein Blick fiel auf eine Paket, dass ich von meinem besten Zigarrenfreund erhalten hatte. Der Inhalt war mir wohlbekannt. Eine meiner absoluten Lieblingsmarken: Tatuaje!!
Ich bin Pete Johnson sehr dankbar für die Zigarren von Tatuaje, die für mich jedes Mal ganz besondere Momente kreieren. Eine Zigarre ist mir mittlerweile so ans Herz gewachsen, dass ich es nicht einmal mehr schaffe eine Review zu schreiben. Immer wenn ich mir Notizen zu dieser Zigarre machen will, vergesse ich ob der Qualität de Moments darauf.
Ich ziehe eine der dunklen Schönheiten aus dem Paket und übersiedle Sie in einen Tubus. Ich mache mich auf den Weg zu einer herrlichen Tasse Kaffee, in der Wärme der letzten Sonnenstrahlen des Herbstes.
Tatuaje Tattoo Miami 10 – Der Selbstversuch
Ich nehme an meinem üblichen Tisch vor dem Café Platz. Ich bestelle mir einen Espresso, doch im letzten Moment entscheide ich mich dagegen, es wird doch ein Café Latte, mit einem Extra-Shot, so entsteht im Endeffekt ein großer Flat-White (Nur für die Kaffee-Junkies unter uns). Ich öffne den Tubus und bereits zwischen den Fingern spürt man sofort die seidenmatte Textur des dunklen Deckblatts. Einlage und Umblatt sind Nicaragua, das ölige Deckblatt jedoch ein Habano aus Ecuador.
Der Kaffee kommt und ich greife zu meinem Cutter. Gegenüber des Cafés steht ein Baum – ich denke eine Akazie – dessen blätter sich so satt gelb verfärbt haben, dass man fast das Gefühlt hat, jemand hätte sich mit einer Dose Lackfarbe daran zu schaffen gemacht. Der Cut der Zigarre ist schnell erledigt. Mit dem Vertrauten, öligen Schmatzen fällt der Kopf in den Aschenbecher. Es ist beinahe windstill und so greife ich nicht zum üblichen Jet-Flame-Flammenwerfer, sondern zu einem altmodischen Gasfeuerzeug, schließlich habe ich Zeit.
Die ersten Züge sind erstaunlich sanft, ganz anders, als ich es von Tatuaje und Pete Johnsons Blends gewohnt bin. Ich bin froh, dass ich keinen Espresso bestellt habe, denn sonst würde der Kaffee den diffizilen Geschmack der Zigarre überdecken. Es sind ganz feine Röstaromen, die sich zu Beginn bemerkbar machen, der typische Pfeffergeschmack bleibt jedoch aus. Jedoch im Hintergrunde entdecke ich doch ein wenig Schärfe. Ungefähr so, wie ein Hauch Chili in einer heißen Schokolade.
Ich lege die Figurado in den Aschenbecher und greife zu meiner Tasse. Ich ernte ein paar böse Blicke von einem der Nebentische. Ich vermute es handelt sich um diese seltsamen Menschen namens Nichtraucher. Ich tue, was ich in solchen Gelegenheiten immer mache, ich grinse vor mich hin und greife wieder zu meiner Zigarre.
Gegen Ende des ersten Drittels wird die Zigarre süßer und eine leichte nussige Cremigkeit stellt sich ein, die ich von Tatuaje eigentlich gar nicht gewöhnt bin. Der ältere Tabak bügelt Ecken und Kanten aus. Wie so oft bemerke ich, wie unterschiedlich sich Zigarren entwickeln können.
Es dauert eine Weile, bis ich meine Geschmacks-Vorurteile über Bord geworfen habe und zulassen kann, die Zigarre einfach zu genießen. Ich bin der Meinung, dass es ein Fehler ist, sich von einer Zigarre etwas zu erwarten, denn man nimmt sich so die Möglichkeit Neues zu entdecken. Manchmal unterläuft auch mir dieser Fehler.
Der Finalakt
Ich nehme wieder einen Schluck vom Kaffee, dessen schokoladige Noten hervorragend zur Zigarre passen. Ich mag mich irren, aber gegen Ende des zweiten Zigarren-Drittels ist etwas im Rauch, das mich entfernt an Zimt erinnert, ein Geschmack, der herrlich zu diesem Wetter passt. So sitze ich da und blase kleine Wolken in die Luft, die durch die herbstlichen Straßen tanzen, während die Menschen ihre Einkäufe erledigen und hektisch durch die Gassen drängeln. Ich sitze einfach nur da, schließe die Augen und freue mich, wieder etwas entdeckt zu haben, das man nur hinter den eigenen Erwartungen finden kann.
Das letzte Drittel besticht durch ganz feine Anklänge von Bittermandel, die sich zu Nussigkeit gesellt und die Süße nun gänzlich ablöst. Eine herrliche Ergänzung zu meinem Kaffee, der gegen Ende immer süßer wird.
Ich lege den Rest der Zigarre in den Aschenbecher und atme durch die Nase aus. Jetzt frischt doch ein leichter Wind das Wetter auf. Die Nichtraucher am Nebentisch haben sich doch ins Innere des Cafés begeben. Jetzt beginnt wieder die Zeit, in denen die Bereiche vor der Türe wieder ganz den Rauchern gehören. Habe ich schon erwähnt, dass ich den Herbst liebe?
In diesem Sinne: Happy Smoking!!!