Keine Stadt auf dieser Welt schafft es so grau zu sein wie Wien. Das dachte ich jedenfalls immer. Vor einiger Zeit lud mich einer meiner besten Freunde ein auf eine Fahrt nach Bratislava. Einer Stadt, die ich bis dato nur von ihrer charmanten, alt-österreichischen Seite her kannte. Bratislava habe ich bis zu diesem Tag nie mit der Farbe grau in Verbindung gebracht. Doch allein die Autofahrt war außerhalb des Autos einfach nur grau. Graue Autos, graues Wetter, graue Straßen, graue Autobahnen, ich konnte nicht ahnen, dass am Ende der grauen Fahrt ein Kleinod auf mich wartete und eine herrliche Zigarre noch dazu.
Besagter Freund hatte einige Proviant-Zigarren im Reisehumidor und ein umfunktioniertes Glas als Beifahrer-Aschenbecher. Wir hatten es definitiv lustig. Die Menschen um unser Auto herum eher nicht so. Zumindest ließen sie sich in ihren Gesichtern nichts anmerken. Als wir die Donau überquerten, konnte ich einen Blick auf einen alternden, grauen Hafen werfen und auf ein dahinterliegendes Industriegebiet. Das erste Mal totaler Ostblock-Charme. Unsere Fahrt führte in ein Industrie- und Gewerbe-Gebiet am Rande der Stadt. Eine Gegend, die man – gefühlsmäßig – eher meiden sollte. Nur wenn man Zigarrenraucher ist, sollte man diese Mühe definitiv auf sich nehmen. Denn was dort in einer Seitenstraße wartet ist herrlich. Ein Humidor mit einer traumhaften Auswahl und so manchem Schnäppchen, von denen ein österreichischer Raucher nur träumen kann. Jedoch sind die Preise der kubanischen Zigarren exorbitant hoch. Teilweise zahlt man für eine Cohiba Behike durchaus € 68,- pro Stück.
Ich ging also durch den Humidor und entdeckte neben den diversen Zigarren, die ich in meiner Heimat nicht erstehen kann, auch Vertrautes. Meine heißgeliebte La Aroma del Caribe, von der ich die Edicion Especial wirklich liebe, war auch in mehr Varianten erhältlich, als in den heimatlichen Gefilden. Meine Aufmerksamkeit erregte allerdings eine wirklich verdammt große Zigarre, deren Brandende ein rotes Seidenband zierte, so wie eine weitere Bauchbinde den stattlichen Umfang mit den Worten: „El Jefe“
Der Chef – eine Ansage
Ja, dieses Kaliber wird seinem Namen wahrlich gerecht. Es gibt nicht oft Gigantes, die den Namen wirklich verdienen, ohne dekadent, oder all zu lächerlich zu wirken. Die El Jefe hat ein Ringmaß von 58 und einen Länge von fast 18 cm. Eigentlich mag ich diese Formate nicht sonderlich, oft ist mir die „feinere Klinge“ lieber, doch da ich diese Marke wirklich gerne rauche, das Format in Österreich nicht erhältlich ist, griff ich im Geschäft zu und schenkte ein paar Exemplaren eine neue Heimat.
La Aroma del Caribe, Base Line, El Jefe – Der Selbstversuch
Es hat ein paar Tage gedauert. Ich habe den Zigarren Zeit gelassen, um sich an meinen Humidor zu gewöhnen, außerdem wollte ich die Vorfreude steigern. In meinem kleinen Rauchsalon herrscht gedämpftes Licht, ich habe mir einen 12 Jahre alten Rum ausgesucht um dieses Erlebnis zu zelebrieren. Sowohl der Rum, als auch die Zigarre hatten zwanzig Minuten Zeit, um sich an das Raumklima zu gewöhnen. Ich selbst stehe vor meinem Plattenregal und überlege noch, was die passende Begleitung zu so einem Kaliber ist. Ich entscheide mich für Bach und Glenn Gould, immer eine gute Kombination.
Über die Base Line von LADC gibt es nicht viel zu erzählen. Auch sie ist ein Produkt von Don Pepin Garcia. Einlage und Umblatt aus Nicaragua. Das Deckblatt gleicher Provenienz ist Connecticut Broadleaf.
Mittlerweile habe ich in meinem Sessel Platz genommen, zwei Teelichter flackern in Laternen auf einem kleinen Beistelltisch und sorgen dafür, dass die Schatten der Bücherregale an den Wänden zu tanzen beginnen. Ich greife zu meinem Cutter und mit einem glatten Schnitt und dem typisch öligen „Schmatzen“ landet der Kopf der Schönheit im Aschenbecher. Der kalte Zug ist angenehm, wie auch der Zugwiderstand. Ich greife zu meinem Flammenwerfer und langsam fängt die Zigarre Feuer.
Bereits im ersten Zug ist das markentypische Aroma präsent. Wahrscheinlich irre ich mich, doch manchmal bin ich mir sicher, ich könnte dieses Aroma unter 5o Zigarren herausfinden. Doch im Vergleich zur Edicion Especial schmeckt diese Dame hier deutlich dunkler. Ich weiß nicht, wie ich es sonst beschreiben soll. Es ist dunkle Schokolade, mit einem Hauch Kaffee. Wobei Kaffee alleine ist es nicht. Retronasal wird es bereits nach ein paar Zügen deutlicher. Das Aroma erinnert hier mehr an Espresso, allerdings die Sorte Espresso auf der schokoladigen Seite. Nach etwa fünf Zügen greife ich zum Glas das neben mir steht. Der Rum war eine gute Wahl. Er ist nicht zu süß, was ich hier als störend empfinden würde. Gegen Ende des ersten Drittels legt die Zigarre deutlich an Komplexität zu. Ich erschmecke Holztöne und Ledernoten, die ich so nicht erwartet hatte.
Ich lege die Zigarre in den Aschenbecher. Der Raum beginnt sich langsam mit Rauch zu füllen. Ich lösche daher das künstliche Licht und als der Raum nur noch spärlich durch die beiden Kerzen erhellt wird, gehe ich zum Fenster und lasse die winterliche, kalte Luft herein. Ich gehe zurück zu meinem Sessel und schlage mir eine Decke um die Beine. Die Zigarre liegt angenehm warm zwischen den Fingern und das zweite Drittel beginnt mit traumhaften Röstaromen. Seltsam, ich verbinde diese Aromatik sowohl mit dem Sommer, als auch mit seinem Gegenspieler, der sich gerade in meinem Salon breit macht. Ich schließe das Fenster wieder. Es hat zu schneien begonnen. Langsam wärmt sich das Zimmer wieder auf und abermals kann ich sehen wie der Rauch das Zimmer in einen Schleier packt, der die Welt um mich vollkommen weichzeichnet. Im letzten Drittel der Zigarre dominieren die Röstaromen und die Holznoten der Zigarre, auch wenn die Schokolade nie ganz die Bühne verlässt. Sie bleibt der Komparse im Hintergrund, der immer an den ersten Akt des Stückes erinnern soll.
Meine Gedanken schweifen ab. Der Rauch ist dicht, sowohl in meinem Salon, als auch an meinem Gaumen und in der Nase. Ich gebe es zu, mir gefällt dieses Format und ich bin froh, dass ich noch zwei Exemplare in meinem Humidor habe. Im Aschenbecher bleibt am Ende nicht mehr zurück, als der bittere Rest des Abschieds und ein paar Stücke relativ feste Asche. Der Rauch kühlt allmählich ab und dennoch finde ich, auch nachdem ich das Zimmer verlassen habe, das Raumaroma recht angenehm. Während der Rauch durch das offene Fenster meine kleine Welt wieder verlässt, freue ich mich auf das Review, das ich schreiben werde. Diese Dame hat sich definitiv eines verdient.
In diesem Sinne: Happy Smoking!