Seit Jahren fahre ich mit meiner Familie im Sommer ins Salzkammergut, in der Hoffnung, dass die Berge und die diversen Seen für etwas kühleres Klima sorgen. Das funktioniert zwar nicht jedes Jahr, doch das altösterreichische Flair genieße ich immer noch sehr gerne. Vor allem Bad Ischl hat es mir angetan mit seinem unbeschreiblich imperialen Sommerfrische-Ambiente. Das städtische Kleinod an der Traun ist immer einen Besuch wert.
Die zweite Heimat
Wie immer sind viele Menschen auf den Straßen. Es ist Sommer und Sommer ist Touristenzeit in Bad Ischl. Die Kaiservilla zieht Besucher an. Kaum einer weiß, dass auf einem Schreibtisch darin mehr oder weniger der erste Weltkrieg seinen Anfang nahm. Ich lasse die Kaiservilla rasch hinter mir. Die Sehenswürdigkeiten der Stadt kenne ich zur Genüge. Ich habe kein Interesse an Sissi-Kitsch, oder Franz-Joseph-Nippes, mich zieht es auf die Esplanade, ans Ufer der Traun.
Ich betrete kurz das Stammhaus der Konditorei Zauner, das erst kürzlich umgebaut wurde. Wie erwartet ist es sehr geschmackvoll und nur dezent mit dem üblichen Kitsch ausgestattet. Die Mehlspeisen sehen wie immer herrlich aus und so freue ich mich nur mehr auf meinen Besuch des zweiten Standortes der Konditorei.
Ich biege auf die Esplanade und obwohl ein besonders warmer Tag ist und man erwarten sollte, dass viele Menschen deshalb Zuflucht auf den Bänken, unter den Bäumen suchen, ist hier etwas weniger los, als direkt in der Stadt.
Ein Lebenstraum
Ich steuere direkt auf die Konditorei zu. Solange ich Zigarrenraucher bin, träume ich davon einmal einen Tisch direkt an der Traun zu bekommen, um hier ganz entspannt bei Literatur und Zigarre einen Nachmittag zu verbringen. Ich habe mehr als einmal überlegt, was ich in dieser Situation wohl rauchen werde.
An diesem Tag traue ich meinen Augen nicht, denn es ist genauso ein Tisch frei. Ich nehme Platz und wie üblich werde ich von einer sehr charmanten Dame begrüßt. Als Österreicher ist man immer etwas überrumpelt von der hier ansässigen Freundlichkeit, denn in vielen Kaffeehäusern sind die Kellner eher – na, sagen wir mal – reserviert in ihrem Verhalten. Freundlichkeit ist also manchmal eine echte Überraschung. Ich bestelle eine Melange und einen Aschenbecher. Während ich auf meinen Kaffee warte, hole ich meine Lektüre für den Nachmittag heraus. Joseph Roth, Hotel Savoy. Joseph Roth passt ganz herrlich nach Bad Ischl, kein anderer weiß über das untergegangene Österreich so zu erzählen wie er. Naja, mit Ausnahme von Stefan Zweig vielleicht. Ich sehe bereits das übliche Silbertablett mit dem Kaffee. Was habe ich eigentlich für Zigarren dabei?
Eiroa the first 20 years
Ich öffne das Zigarren-Etui und ich muss grinsen, denn ich habe die perfekte Zigarre für diesen Moment dabei. The first 20 Years, Colorado 46 x 6, boxpressed. Dieses Format wirkt besonders elegant auf mich. Das Deckblatt ist wunderbar hell und fühlt sich seidig an. Sowohl Einlage, Umblatt, als auch das Deckblatt stammen aus Honduras. Obwohl ich nicht immer ein Fan von Boxpressed-Zigarren bin, muss ich sagen, dass es in diesem Fall die Eleganz der Zigarre unterstreicht. Das Seidenpapier am Zigarrenfuß komplettiert die Optik.
Ich greife zu meinem Cutter. Die Zigarre ist rasch geköpft und entflammt. Der äußerst milde und dichte Rauch ist bereits vom ersten Zug an höchster Genuss. Ich nehme einen Schluck vom Kaffee, dessen Milchschaum so fest ist, dass nicht einmal der Zucker hindurch fällt. Mein Blick schweift wieder über die Traun in Richtung der Berge. Ich habe Glück, denn heute ist auch der Klavierspieler im Dienst. Gemeinsam mit dem Geplapper der Menschen ergibt das einen herrlich entspannenden Teppich an Hintergrundgeräuschen.
Ich greife zu meinem Buch und bin sofort von der Erzählung gefangen, die mich in dieses besondere Hotel entführt. Die Zigarre offenbart ihren wundervollen Geschmack von dezentem Holz und leichter Süße, auch wenn im Hintergrund immer etwas Pfeffer leicht den Gaumen kitzelt. Ich habe diese Zigarre schon einige Male geraucht, aber ich bin immer wieder aufs Neue überrascht wie perfekt diese Kreation eigentlich ist. Das erste Drittel ist wunderbar weich und cremig.
Der perfekte Moment
Die Leute kommen und gehen. Ich sitze im Schatten und genieße das Schauspiel vor der malerischen Kulisse der Stadt. Das zweite Drittel der Zigarre offenbart mir Anklänge von Wiesenkräutern und Nüssen, in einer Zurückhaltung, die ich nur als nobel beschreiben kann. Zug und Abbrand sind perfekt. Der Kaffee erscheint mir als perfekte Begleitung, denn meiner Meinung nach hat die Zigarre vor allem gegen Ende des zweiten Drittels selbst eine feine Kaffee-Aromatik.
Ja, der Moment ist perfekt und so gelungen, wie ich ihn mir immer vorgestellt habe. Mehr braucht es eigentlich nicht. Kaffee, eine herrliche Zigarre und etwas Zeit, die perfekte Mischung für einen gelungenen Augenblick. Im letzten Drittel offenbart sich noch mehr von der Cremigkeit, die ganz leichte bittere Noten begleitet. Es ist eine herrliche Zigarre und ganz bestimmt eine der besten, die ich in meinem Leben bis dato geraucht habe. Ich kann gut verstehen, dass einige Aficionados der Meinung sind die Eiroa the first 20 years erinnere Sie an kubanische Zigarren von vor 20 Jahren. Leichte, milde Zigarren, die ein derartig komplexes Geschmacksbild aufweisen sind sehr selten geworden, leider.
Die Sonne steht mittlerweile schon tief am Himmel und es wird tatsächlich etwas kühler. Es sind noch genauso viele Menschen unterwegs wie vorhin. Mich stören sie nicht. Der Genuss hat mich sowieso in die Welt meiner eigenen Gedanken katapultiert. Ich bin glücklich solche Erlebnisse machen zu dürfen, vor allem wenn es an mondänen Orten wie Bad Ischl geschieht.
Ich bezahle meinen Kaffee und hinterlasse nur einen kleinen Rest der Zigarre, als Beweis für meine Anwesenheit und Opfer für die Götter, die mir an diesem Tag scheinbar äußerst gnädig waren.
In diesem Sinne: Happy Smoking!!!