Als ich neulich auf einer Zigarren-Präsentation war, war ich etwas gehandicapt. Eine Erkältung hatte noch einmal zum zweiten Akt angesetzt und außerdem war ich mit Arbeit eingedeckt. Solche Tage kennen wir alle, eigentlich sollte man es sich auf der Couch gemütlich machen, doch eine neue Zigarre will man sich nicht entgehen lassen. Ich wurde auf der Präsentation immer wieder nach meiner Meinung gefragt, ich hielt mich zurück, denn außer Rauch konnte ich an diesem Abend nicht viel erschmecken. Der Rauch, den ca.20 Menschen verbreiten, wenn sie mehr als eine Zigarre in einem geschlossenen Raum rauchen, tat sein Übriges. Fazit: 14 Tage rauchfrei. Der Horror.
Mir tat es besonders leid, denn mich nervt es, wenn ich nach meiner Einschätzung bezüglich einer Zigarre gefragt werde und ich habe nichts zu sagen. Doch meine Gastgeber waren sehr zuvorkommend. Als ich an diesem Abend die Location verließ, wurden mir alle Zigarren des Abends in mehrfacher Ausführung mit nach Hause gegeben.
Die amerikanischen Gastgeber waren allerdings allen Gästen gegenüber so spendabel. Wahrhaft etwas maßlos. Beidhändig in eine Zigarrenkiste zu greifen und das mit „Just take it“ und einem Augenzwinkern kommentieren ist – na sagen wir mal – in Österreich eher unüblich. Genau wie diese Geste, war auch dieser Abend unüblich und zwar auf sehr angenehme Art und Weise.
RoMa Craft Tobac
Hinter RoMa Craft Tobac stehen im Wesentlichen zwei amerikanische Köpfe, Skip Martin und Mike Rosales, die in Europa vor allem durch die Zusammenarbeit mit Schuster Cigars bekannt sind. Ihre erste Zigarre, die in Nicaragua gefertigt wurde war die Intemperance, was so viel wie Maßlosigkeit bedeutet. Dieser Name spielt mir der alten Image-Kampagne aus den USA. Temperance stand für Mäßigung in Bezug auf Alkohol. Das Logo der Zigarre ist ebenfalls an die Typografie von damals angelehnt.
Intemperance – Connecticut Ecuador
Nachdem ich endlich wieder unter den Lebenden ruhte, hab ich mich wieder meinen Humidoren zugewandt. Ich war mir nicht sicher, mit welcher Zigarre ich nun meinen wiedergewonnen Geschmackssinn feiern sollte. Doch mir war schnell klar, dass es eigentlich keine bessere Zigarre gibt, als eine die Maßlosigkeit heißt.
Von dieser Zigarre gibt es zwei Varianten, eine mit Connecticut Deckblatt aus Ecuador, einem indonesischen Umblatt und einer Einalge aus der Dominikanischen Republik und Nicaragua und eine Variante mit brasilianischem Arapirace-Deckblatt. Die in meinem Konvolut war die Connecticut-Version, eine Short Robusto.
Der Selbstversuch
Während die Zigarre bereits im Aschenbecher wartet angeschnitten zu werden, stehe ich vor meinem Spirituosen-Regal und überlege, welche andere Maßlosigkeit ich für diesen Moment erwähle. Ich entscheide mich für einen Weinbrand aus Georgien, der dem Metaxa nicht unähnlich ist, jedoch etwas weniger Süße, doch dafür wesentlich mehr Würze hat.
Als die Zigarre brennt und ich die ersten Züge mache, erkenne ich mein glückliches Händchen. Denn die Zigarre passt herrlich zum Weinbrand. Zu Anfang merke ich nichts von der typischen Würze Nicaraguas, dafür ist das Deckblatt umso typischer. Es ist der vertraute Geschmack des Connecticut aus Ecuador. Schwer zu beschreiben. Es ist ein Hauch von Nuss im weichen Rauch. Doch nach den ersten fünf Zügen, nimmt die Zigarre deutlich an Wucht und Würzigkeit zu. Der Rauch ist dicht, ehrlich gesagt unglaublich dicht.
Ich nehme einen Schluck Wasser, damit ich wieder offen für einen neuen Geschmack bin. Es ist frisches Nusslaub, das im Rauch liegt, genau wie im Aroma des Raumes. gegen Ende des ersten Drittels nimmt die Zigarre deutlich Fahrt auf. Ich lege sie öfters in den Aschenbecher, schnelleres Rauchen ist wohl nicht gut für diese Dame.
Das zweite Drittel wird von cremiger Würze dominiert, die den Gaumen angenehm umspielt. Ich lehne mich zufrieden in meinem Sessel zurück. Es ist herrlich wieder diesen Geschmack erleben zu dürfen. Durch das langsame Rauchen entdecke ich auch noch eine ganz leichte Süße, die sich nie wirklich in den Vordergrund drängt, doch die Aromen unterstützt. Am Ende des zweiten Drittels ist mir das Aromenspektrum tatsächlich fast zu viel, denn es gesellen sich nun auch Röstaromen dazu und vielleicht auch eine Spur von Holz.
Ich lege die Zigarre wieder in den Aschenbecher und wende mich wieder dem Weinbrand zu, er ist ebenfalls nun auf perfekter Betriebstemperatur und ich finde es schade, dass dieser herrliche Trunk hier in Europa keinen Anklang findet. Das Etikett lügt allerdings, denn der „Herr“ in meinem Glas hat mit Sicherheit mehr als 40% Alkohol. Ein Test mit einem Streichholz bestätigt dies auch, doch der Weinbrand ist wahrhaft hochgeistig und rein.
Am letzten Drittel taucht im Rauch der Zigarre langsam die Bitterkeit des Abschieds auf und auch wenn ich die Zigarre eigentlich nicht weglegen möchte, muss ich dies doch tun. Ich lege sie früher weg als normal, denn nun da ich diese Dame rauche erkenne ich doch, dass sie mehr Nikotin abgibt als zu anfangs gedacht. Ich glaube sie wäre der perfekte Abschluss zu einem schweren Essen. Ein weiterer Beitrag zur Maßlosigkeit.
Im Aschenbecher liegen zwei große Stücke feste Asche und die eigentlich gar nicht so maßlose Banderole. Der letzte Schluck Weinbrand verleiht noch einmal seine grenzenlose Wärme und während sich der Rauch in meinem Rauchsalon verflüchtigt und verteilt, denke ich still bei mir: „Endlich zurück.“
In diesem Sinne: Happy Smoking!