Zigarren – Ignoranz und Vorurteile

Zigarrenbanderolen

Manchmal stehe ich vor meinem Humidor und weiß einfach nicht, was ich rauchen soll. Entweder rauche ich – ja, auch das soll es geben – gar nicht, oder ich greife zu etwas Vertrautem, etwas, dass mich auf keinen Fall enttäuscht, dass aber auch nichts Neues bringt. Und genau da liegt der Hund begraben.

Ja, ich habe sie auch, meine geliebten Zigarren, von denen ich immer mehr als ein Exemplar im Humidor liegen habe, Zigarren, die ich öfter als einmal pro Woche rauche, doch diese Zigarren wechseln ständig und das hat auch seinen Grund.

Der Weg ist das Ziel

Der Tabak macht seltsame Dinge mit uns. Er sorgt dafür, dass der Genießer sich auf eine Reise der Entdeckung begibt. Auf der suche nach der „idealen“ Zigarre, dem „idealen“ Pfeifentabak. Die Wahrheit: so etwas gibt es nicht!

Allein die Tatsache, dass sich durch die ständige Zell-Erneuerung unseres Körpers auch der Geschmack eines Menschen an sich, alle paar Jahre ändert, so ändern sich auch die Vorlieben für Zigarren. Dazu gesellen sich dann die Einflüsse, die durch Werbung, Kunst und durch unsere Mitmenschen auf uns einströmen. Unser Geschmacksbild, sowie unsere Persönlichkeit verändert sich im Laufe unseres Leben. Freilich nicht so stark, dass wir uns in völlig neue Individuen verwandeln. Probieren Sie also so viel wie möglich aus und genießen Sie diese Entdeckungstour durch die Welt der Zigarren. Folgen Sie dem weißen Kaninchen in seinen Bau, sie werden überrascht sein, welches Wunderland sich hinter den Spiegeln verbirgt.

Warum Geschmack die Treue schwören, wenn man doch eigentlich geschmacks-polygam ist?

Zigarren im Detail

Meine derzeitigen Lieblinge (v.l.n.r.: Patoro Serie P Balthasar, Joya Celebracion, eine „anonyme Schönheit“ aus der Dom.Rep. und eine Gilbert de Montsalvat short Belicosa

Das Problem mit der Ignoranz

Ich habe ein Problem mit Menschen, die mit Scheuklappen durch die Gegend laufen und immer nur „das Eine“ von „dem Selben“ wollen. Beispiel gefällig?

„Ich höre nur klassische Musik! Alles andere ist für mich keine Musik!“

„Ich trinke nur französischen Rotwein, der ist der Beste“

„Ich rauche nur kubanische Zigarren. Alles andere kommt da nicht ran.“

Kennen Sie das? Ganz richtig, das nennt man Ignoranz. Falls sich jetzt jemand persönlich angegriffen fühlt, tut es mir leid, doch so ist das nun mal. Angenommen man hätte von jeder Zigarre auf der Welt ein Exemplar geraucht und würde anschließend sagen, am Besten wäre diese oder jene Zigarre gewesen, dann wäre solch ein Verhalten legitim, aber Dinge kategorisch abzulehnen, ohne sie probiert zu haben, nennt man ignorant, zumindest in meiner Welt.

Zigarren für unter der Woche?

Ich werde immer wieder nach Zigarren gefragt für den Smoke unter der Woche. Ich weiß immer noch nicht, was mit diesen Fragen eigentlich in Erfahrung gebracht werden soll, denn ganz ehrlich, ich kann eine sieben Jahre alte Cohiba auch unter der Woche rauchen und das sogar ziemlich problemlos. Meistens gehe ich davon aus, dass es um Zigarren für den kleineren Geldbeutel geht und im den meisten Fällen liege ich auch richtig.

Nur, in der heutigen Zeit müssen wir alle mehr auf unser Geld achten, daher ist es nichts Verwerfliches, sich Dinge nicht leisten zu können. Ich stehe auch manchmal in einem Humidor und sage: „Wäre schön, aber kann ich mir im Moment nicht leisten.“ Das ist mir nicht peinlich, denn die Mehrheit der Menschen gehört zu den Nicht-Reichen. Für all diese Leute habe ich einen einfachen Tipp. Setzen sie sich ein Wochenlimit, das sie für Zigarren ausgeben können und geben Sie es dann mit Freude aus.

Ich für meinen Teil möchte unter der Woche den selben Genuss wie am Wochenende haben, ich habe keine x-beliebigen Bundle-Zigarren, mit denen ich mich abquäle, nur damit ich Irgendetwas rauche, um dann am Wochenende endlich „richtig“ zu genießen. Ich rauche prinzipiell nur Zigarren, die mir schmecken, egal an welchem Tag, denn wie schon einmal erwähnt, der Preis sagt NICHTS über die Qualität oder den Geschmack einer Zigarre aus!

Verbreitete Mythen – Scheinbar haben sich gewisse Tatsachen immer noch nicht herum gesprochen

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch mit einigen Mythen aufräumen. Ich dachte eigentlich, dass diese Dinge mittlerweile den Meisten klar sind, doch ein einzelner Besuch in einem Zigarrenforum beweist das Gegenteil. Deshalb hier eine kleine Liste mit fünf Punkten, die sich immer noch hartnäckig am Leben halten:

  1. Nur weil eine Zigarre „billig“ ist, heißt das nicht, dass sie schlecht(er) ist.
    Ein spitzen Beispiel ist die World Selection von Te-Amo. Eine short Robusto, mit einem wahnsinnig leichten Zug, aber wie ich finde, einem äußerst ansprechenden Aroma, um einen starken Espresso zu begleiten. Diese Zigarren kosten in Österreich € 3,90.
  2. Kubanische Zigarren sind NICHT die besten!
    Wie schon erwähnt, gibt es „die Besten“ nicht. Geschmack ist subjektiv, was für den einen ein Hochgenuss ist, ist für den anderen ein Graus. Genau wie bei Wein, gibt es Geschmacksprofile entsprechend des Anbaugebiets und selbst da wird man des Öfteren überrascht.
  3. Nur weil eine Zigarre Schiefbrand aufweist, oder schlecht zieht, heißt das nicht, dass alle Zigarren dieser Linie so beschaffen sind!
    Damit kämpfe ich sehr oft. In manchen Foren liest man das häufig: „Ich habe Die Zigarre XY probiert. Schiefbrand, schlechter Zug und das Deckblatt ist gerissen. Finger weg!“ Zigarren sind oft Handarbeit und werden von Menschen hergestellt. Es passieren Fehler, doch in der Regel sind das Einzelfälle. Vor allem kubanische Zigarren neigen zu Schiefbrand oder schlechterem Zugverhalten, wenn sie zu jung sind.
  4. Händler sind NICHT allwissend!
    Ich erlebe oft, dass Fachhändler angeschnauzt werden, weil eine empfohlene Zigarre nicht dem Geschmack des Kunden entspricht, oder weil eine Zigarre als Puro-Domenica verkauft wurde, aber eine Einlage aus Ecuador hat. Fachhändler sind auch nur Menschen! Geschmack ist subjektiv und Fehler machen wir alle.
  5. Schmeckt, oder schmeckt nicht – Mehr muss man über den Geschmack einer Zigarre eigentlich nicht wissen!
    Wenn ich eines aus meiner Ausbildung zum Sommelier gelernt habe, dann ist es die Tatsache, dass es nur auf den eigenen Geschmack ankommt. Schämen Sie sich nie dafür, wenn Ihnen etwas schmeckt, dass alle anderen für ekelhaft befinden!

Wenn man diese fünf Punkte einmal begriffen hat, dann wird das Leben mit dem Zigarrengenuss wesentlich einfacher. Ich selbst, freue mich jedes Mal, wenn ich eines meiner eigenen Vorurteile über Bord werfen kann. Ich habe sicherlich nicht alle Punkte angesprochen, die es zu klären gibt. Manchem – vor allem dem Thema Humidor – werde ich mich noch detaillierter nähern, denn für viele ist der Humidor immer noch so etwas, wie ein magisches Objekt, das einen eigenen Willen hat, doch in Wahrheit ist es eine möglichst luftdichte (Holz)kiste, in der man die Luftfeuchtigkeit regulieren kann und die Temperatur konstant hält. Und das geht relativ simpel. Aber wie gesagt, dazu ein andermal mehr.

Zigarrenrauchen ist einfach. Wir – und ich nehme mich da nicht aus – neigen nur oft dazu Dinge unnötig zu verkomplizieren anstatt uns an der Einfachheit zu erfreuen. Und vor allem freuen wir uns darüber, dass es immer mehr Menschen gibt, die den Genuss der Zigarre für sich entdecken und Ihn zelebrieren.

In diesem Sinne…….Happy Smoking!

2 Comments

  • Antworten September 3, 2017

    Frank Held

    Hallo Herr Hruby, sie sprechen mir aus der Seele.
    Super Beitrag …Als Koch habe ich oft genug mit solcher Arroganz zu tun.
    Danke für diesen Beitrag.
    Aber bitte wer is die unbekannte Schönheit aus Dom.Rep.??
    Mfg Frank. HELD

    • Antworten September 3, 2017

      Klaus Hruby

      Hallo und herzichen Dank für das Feedback. Ich freue mich, wenn Ihnen meine Texte gefallen. Die „anonyme Schönheit“ist eine Zigarre, die ursprünglich rein für den österreichischen Markt gedacht war, leider wurde das Projekt nie weiter verfolgt. Ich hatte das Glück noch einige Exemplare zu bekommen 🙂

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