Selbst dem Kaiser wurde es manchmal zu viel. Wenn die Temperaturen steigen, das Sonnenlicht die noblen Augen blendet, dann treten die Städter gerne die Flucht aufs Land an. Als Österreich noch ganz k.u.k. war, gab es dafür eigentlich nur einen Ort. Ganz richtig: Bad Ischl
Bad Ischl ist ein kleiner, charmanter Ort im südlichen Teil von Oberösterreich. Nirgendwo anders schlägt der Puls des Salzkammergutes so sehr wie in Ischl. Ein Ort der Geschichte verströmt, kaiserlichen Charme für die Touristen und für die österreichische Seele, das was diese wie Luft zum Atmen braucht, einen leichten Hauch von Melancholie.
Wie immer in den Sommermonaten, ist der Ort furchtbar überlaufen, vor allem wenn es regent. Generell gilt es bei Regen im Salzkammergut, die Städte zu meiden. Ganz besonders gilt das für Salzburg.
Österreich pur
Ich bin jedes Jahr im Salzkammergut. Nur ein paar Tage um wieder den Kopf frei zu bekommen, von all den Dingen, die einem so das Jahr über durch den Kopf schwirren. Dann nehme ich mir was zu Lesen, ein paar Zigarren und was man sonst noch so braucht und flüchte.
Wenn ich in Bad Isch bin, dann habe ich eigentlich ein fixes Programm. Nein, ich besuche nicht die touristischen Hot-Spots wie die Kaiservilla oder das Marmorschlössl (besser bekannt als Sisis Teehaus). Ich mache meistens das, was selten jemand tut. Ich spaziere durch die kleine Stadt und schaue dabei wirklich hin. Ich werfe einen Blick auf Fassaden, die nur noch Fassaden sind und dabei spüre ich den Glanz, den es wohl einmal hatte, dieses Bad Ischl.
Wie so oft ist das, was man auf den ersten Blick präsentiert bekommt, lediglich Schauspiel für Touristen. Kaum einer der Touristen weiß, dass an diesen Orten auch so Manches seinen tragischen Lauf nahm. Am 18. Juli 1914 verfasste Kaiser Franz Joseph in Bad Ischl sein Manifest „An meine Völker!“ in dem er Serbien den Krieg erklärt. Der Ort, den viele Menschen so lieben, war ein Ort an dem ein Krieg begonnen wurde.
Ein Sinnbild der österreichischen Seele
Viele Menschen verstehen nicht warum die Österreicher so an ihrem kaiserlichen Erbe hängen, beziehungsweise immer noch damit hadern. Das liegt nicht etwa daran, dass wir alle Monarchisten sind. Österreich war einmal das politische Zentrum Europas, ein Vorreiter in Sachen Diplomatie und weltoffen wie kein zweiter Staat auf diesem Kontinent. Auch wenn wir Jahrhunderte lang vom Kaiserhaus geschröpft, übervorteilt und teilweise ausgebootet wurden, so war es doch Teil unserer internationalen Identität. Die Habsburger mussten am Ende das Land verlassen, deren Besitz ging in die Hand des Staates über und so manches Bauwerk wurde mehr als zweckentfremdet. Wie zum Besipiel das Schloss Schwarzau, das zu einer Haftanstalt umfunktioniert wurde.
Jedes Bauwerk, jedes Denkmal, jede Parkanlage ist eine Erinnerung und gleichzeitig ein Mahnmal für verlorengegangene Größe. Wir waren ein Vielvölkerstaat unter dem mächtigsten Herrscherhaus Europas und was mit dem ersten Weltkrieg begann und über den Austrofaschismus zum zweiten Weltkrieg führte, hat letzten Endes all das zerstört. All diese Dinge wissen wir und sehen sie eben an Orten wie Bad Ischl durch eine rosa Brille. Wir sehen die letzen Bastionen, eines Versuchs, Dinge aufrecht zu erhalten, die längst vergangen sind. Der letzte Hauch imperialer Größe.
Es ist ein sonniger Tag, ich spaziere durch die Straßen und Gassen. die Touristen machen Fotos im Kurpark und vor der Kaiservilla. Im Stammhaus der Konditorei Zauner warten die Menschen auf einen Tisch und am Ufer der Traun warten einige Kutschen, um Pärchen durch die Stadt zu chauffieren. Ich biege nach Rechts auf die Esplanade ein und schlendere in Richtung der zweiten Dependance, der Konditorei Zauner. Ich sitze dort im Sommer sehr gerne und genieße eine Schale Kaffee, dazu eine der herrlichen Mehlspeisen, die in der Welt wirklich einzigartig sind. Zaunerstollen, Ischler, Leharschnitte und Oblatentorte sind nur einige der Köstlichkeiten die hier empfehlenswert sind. Der Gastgarten ist natürlich beinahe überfüllt, doch im Sommer werden die Fensterfronten komplett geöffnet und so suche ich mir im Inneren einen Platz. Ich bestelle mir eine Melange und eine Whisky-Likör-Schnitte, Dann nehme ich Platz.
Ich habe an anderer Stelle schon einmal über das österreichische Kaffeehaus geschrieben, die Konditorei Zauner setzt dem ganzen allerdings noch die Krone auf, im wörtlichen Sinne, denn die Milchschaumkrone auf meiner Melange ist so groß wie sonst nirgends. Der Nachmittag vergeht und ich genieße es hier zu sein, wie jedes Jahr. Das Plätschern der Traun bringt kühle Luft aus den Bergen in die Stadt. Ich weiß, dass es in den nächsten Tagen wieder regnen wird, das erkenne ich an den Wolken und weil es hier eigentlich immer regnet. Dann ist die Stadt wieder übervoll.
Ich genieße meine letzten Bisse und nehme einen letzten Schluck vom Kaffee. Ich habe mir eine La Aroma del Caribe mitgenommen. Diese Zigarre werde ich noch an der Traun genießen, bevor ich meinen Weg ins Hotel antrete. Denn wenn es Abend wird, flüchten die Touristen wieder aus der Stadt und sie gehört wieder den Österreichern. Dann verbreitet das Licht der untergehenden Sonne wieder etwas mehr Wehmut als sonst. Doch all das ist auch ein herrliches Gefühl der Entspannung und so bietet sich die Zigarre besonders gut als Reisebegleiter an.
Ich begleiche meine Rechnung und mit den letzten Zügen der Zigarre verlasse ich das Ufer der Traun. Ein Zitat, das glaube ich von Shakespeare ist, geht mir durch den Kopf: „Abschied ist solch bittersüßer Schmerz“
Irgendwie trifft es das genau. Die Sache mit dem Kaiser, mit Österreich, dem Sonnenuntergang und den letzten Zügen einer guten Zigarre.